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Krankmeldungen anzweifeln Unter diesen Umständen möglich

20.11.2021

Krankmeldungen anzweifeln – Unter diesen Umständen möglich!

Zum Beweiswert einer Krankschreibung nach einer Kündigung, BAG, Urteil vom 8. September 2021 – 5 AZR 149/21


Kann der Arbeitgeber eine Krankschreibung anzweifeln?

Das Bundesarbeitsgericht hat am 8. September 2021 entschieden, dass der Arbeitgeber eine Krankschreibung des Arbeitnehmers anfechten kann, wenn er Umstände darlegt, die ernsthafte Zweifel an der Erkrankung des Arbeitnehmers begründen. Dem Arbeitnehmer fällt dann die sekundäre Beweislast zu. Er muss konkret darlegen und beweisen, dass er arbeitsunfähig war. Gelingt ihm das nicht, kann ihm eine Entgeltfortzahlung verweigert werden.

Der Entscheidung lag ein Fall zugrunde, bei welchem eine Arbeitnehmerin ihr Arbeitsverhältnis kündigte und dem Arbeitgeber zeitgleich mit der Kündigung eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegte, deren Dauer sich exakt mit der Kündigungsfrist deckte. Der Arbeitgeber weigerte sich, die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall zu leisten. Die Arbeitnehmerin erhob Klage. Während die Vorinstanzen der Zahlungsklage der Arbeitnehmerin stattgaben, wies das BAG die Klage ab. Es sah den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in Bezug auf die Erkrankung der Arbeitnehmerin als ernsthaft erschüttert an, weil sich die Dauer der Arbeitsunfähigkeit exakt mit der Kündigungsfrist deckte. Der Arbeitnehmerin gelang es nicht, die tatsächliche Erkrankung durch einen substantiierten Sachvortrag und entsprechende Beweisantritte zu belegen.


Wann sind Zweifel an einer Krankschreibung berechtigt?

Versuche vom Arbeitnehmer, die Kündigungsfrist mit einer Krankschreibung zu überbrücken, können vom Arbeitgeber angefochten werden. Das BAG setzt mit dieser Entscheidung seine Rechtsauffassung, wonach einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kein unerschütterlicher Beweiswert im Hinblick auf die Erkrankung des Arbeitnehmers zukommt, auch für die Entgeltfortzahlung fort. Der Arbeitgeber kann das Attest stattdessen durch die Darlegung konkreter Umstände, die ernsthafte Zweifel an der tatsächlichen Erkrankung des Arbeitnehmers begründen, erschüttern.

Ähnlich hatte das BAG bereits für den Fall einer durch den Arbeitnehmer angekündigten Krankschreibung entschieden. Zweifel an einer Arbeitsunfähigkeit und eine verhaltensbedingte Kündigung des Arbeitnehmers ist gerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber zuvor den vom Arbeitnehmer beantragten Urlaub nicht gewährt hat und der Arbeitnehmer sich dann, wie von ihm vorab angekündigt, krankschreiben lässt.

Für die Arbeitgeber folgt daraus, dass sie immer genau prüfen sollten, wie sich ein Arbeitnehmer im Fall einer Kündigung verhält. Bestehen beim Arbeitgeber ernsthafte Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit, so kann er die Entgeltfortzahlung zunächst verweigern. Er sollte seine Zweifel aber auf Tatsachen stützen können, die auch das Arbeitsgericht ernsthaft an der tatsächlichen Erkrankung des Arbeitnehmers zweifeln lassen können. Nicht jede Krankschreibung nach einer Kündigung, ist geeignet, solche ernsthaften Zweifel zu wecken. Es kommt wie immer auf den konkreten Einzelfall an.


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