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Betriebsprüfung zur Sozialversicherung mit Nachzahlung

11.04.2023

Betriebsprüfung zur Sozialversicherung mit Nachzahlung

Zu Beginn dieses Jahres wurde vom Sozialgericht Berlin in einem Verfahren geurteilt, welches nach einer Betriebsprüfung zur Sozialversicherung Nachzahlungen aufgrund einer nachträglich festgestellten Sozialversicherungspflicht zweier Gesellschafter-Geschäftsführer zum Gegenstand hatte.

 

Fakten zum Fall der Betriebsprüfung mit Nachzahlung

Die Klägerin (= GmbH) hatte im Zeitraum Januar 2013 bis September 2017 drei geschäftsführende Gesellschafter; einen mit 50 %, zwei mit je 25 % Anteil am Stammkapital. Zur Beschlussfassung war im Gesellschaftsvertrag die einfache Mehrheit festgeschrieben. Sonder- oder Vetorechte für die Gesellschafter war nicht verankert.

Ab Juli 2017 führte die Deutschen Rentenversicherung Bund (DRB) bei der Klägerin eine Betriebsprüfung zur Sozialversicherung durch. Dabei forderte sie auch Unterlagen für die Statusbeurteilung der Gesellschafter-Geschäftsführer an, die ihr von der Klägerin übermittelt wurden. Im Januar 2018 teilte die DRB mit Anhörungsschreiben mit, sie beabsichtige, für die beiden 25 %-Gesellschafter-Geschäftsführer aufgrund gegebener abhängiger Beschäftigung nach der Sozialversicherungsprüfung Nachzahlungen in Höhe von ca. 142.000,- € zu erheben.

Im November 2018 erließ die DRB einen Bescheid zur „Betriebsprüfung nach § 28p […] SGB IV, durchgeführt in der Zeit vom 10.07.2017 bis 28.11.2018 […] Prüfzeitraum 01.01.2013 bis 31.12.2016“ und teilte hierin im Wesentlichen mit, dass die von ihr in Stichproben durchgeführte Prüfung im gesamten Prüfzeitraum zu keinen Feststellungen hinsichtlich der beitragsrechtlichen Beurteilung der Entgelte und sonstigen Zuwendungen geführt habe. Hinsichtlich der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung der Gesellschafter-Geschäftsführer ergehe ein gesonderter Bescheid.

Im März 2019 erließt die DRB einen Bescheid und teilte darin mit, dass die im Zusammenhang mit der Betriebsprüfung eingeleitete sozialversicherungsrechtliche Beurteilung für die beiden Gesellschafter-Geschäftsführer zu dem Ergebnis geführt habe, dass für den Zeitraum 01. Februar 2013 bis 31. Dezember 2016 jeweils eine abhängige Beschäftigungvorgelegen habe und infolgedessen in Höhe von ca. 129.000,- € Nachforderungen erhoben würden. Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein und führte u.a. an, dass die Betriebsprüfung abgeschlossen war und somit die DRB keine Ermächtigung für den Erlass des Bescheides habe. Den Widerspruch der GmbH wies die DRB im August 2020 zurück und führte in der Begründung an, dass die Betriebsprüfung durch Bescheid aus November 2018 nicht abgeschlossen gewesen sei, da sie auf die ausstehende sozialversicherungsrechtliche Beurteilung der beiden Gesellschafter-Geschäftsführer hingewiesen habe.

Die hiergegen gerichtete Klage mit der die Klägerin vertiefte, dass die DRB nicht mehr für die Statusbeurteilung zuständig gewesen sei, da Feststellungen zur Statusbeurteilung nur im Rahmen der Betriebsprüfung gemäß § 28p SGB IV getroffen werden dürften und eben jene mit Bescheid aus November 2018 abgeschlossen gewesen sei, war erfolgreich.

Das Urteil zur Nachzahlung aufgrund Sozialversicherungspflicht

Das Sozialgericht Berlin urteilte am 10. Januar 2023, dass der Bescheid aus November 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids aus August 2020 rechtswidrig sei. In der Begründung führte es aus, dass dem zweiten Bescheid aus März 2019 der erste, bestandskräftige Betriebsprüfbescheid aus November 2018 entgegenstehe, da letzterer die Betriebsprüfung zur Sozialversicherung verbindlich abgeschlossen habe. Werde im Rahmen einer Betriebsprüfung eine versicherungsrechtliche Beurteilung eines Mitarbeiters vorgenommen, könne dies zu einer Trennung von der übrigen Betriebsprüfung führen. Es könnten daher zwei Bescheide im Rahmen einer Betriebsprüfung entstehen. Würden beide Bescheide nicht zeitgleich an den Arbeitgeber übersandt, sei ein Hinweis im ersten Bescheid zwingend, dass die Prüfung noch nicht abgeschlossen, sondern lediglich ein Teilergebnis erfolge. Dieser Hinweis sei vorliegend nicht erfolgt.

Gründe für das Urteil der Betriebsprüfung zur Sozialversicherung

So sei der Bescheid der DRB aus November 2018 nicht als Teilbescheid überschrieben und der Verfügungssatz sei eindeutig und enthielte keinen Zusatz vorbehaltlich weiterer Prüfungen hinsichtlich der Gesellschafter-Geschäftsführer. Die Betriebsprüfung sei durch den klaren Verfügungssatz im Bescheid aus November 2018 ausdrücklich abgeschlossen gewesen; dies ergebe sich aus dem Wortlaut, wie ein verständiger Empfänger diesen Bescheid verstehen dürfe.

Auch die Begleitumstände (die Beklagte hatte alle relevanten Informationen und Unterlagen für eine abschließende Statusprüfung, was in der Anhörung zum Ausdruck gekommen sei) sprächen im Rahmen der Auslegung für eine abgeschlossene Betriebsprüfung. Auch habe sich die Klägerin ausführlich im Rahmen der Anhörung geäußert, ohne dass es Rückfragen der DRB gegeben habe, sodass die Klägerin den erfolgten Abschluss der Betriebsprüfung anzunehmen hatte.

Der Zusatz im Betriebsprüfbescheid „Hinsichtlich der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung der Gesellschafter-Geschäftsführer … ergeht ein gesonderter Bescheid.“ vermöge keiner sachlichen Zuständigkeit der DRB für den Bescheid aus März 20219 zu begründen. Dieser Zusatz stelle eine bloße Absichtsbekundung, die für ihre Umsetzung einer Rechtsgrundlage bedürfe. Diese fehle hier aufgrund der im November 2018 abgeschlossen Betriebsprüfung zur Sozialversicherung. Hiervon sei auch die Beklagte selbst ausgegangen, da Feststellungen nicht nach § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV im Rahmen der Betriebsprüfung, sondern lediglich im „Zusammenhang mit der Betriebsprüfung“ getroffen wurden.

Ein Arbeitgeber, so das Sozialgericht Berlin, habe das Recht auf einen klaren Abschluss einer Betriebsprüfung durch einen verständlichen Bescheid, was sich daraus ergebe, dass bereits die Duldungs- und Mitteilungspflichten, die mit einer Betriebsprüfung verbunden seien, im Lichte von Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG einer Rechtfertigung bedürfen.

Die Anfechtungsklage hatte aus den genannten Gründen Erfolg; die Nachforderungen aufgrund des Bescheides nach Abschluss der Betriebsprüfung sind hinfällig.

SG Berlin, Urteil S 122 BA 219/90

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