jura ratio aktuelles
Gilt für Geschäftsführer die Sozialversicherungspflicht?

15.02.2021

Gilt für Geschäftsführer die Sozialversicherungspflicht?

Existiert für Geschäftsführer eine Sozialversicherungspflicht? Das Bundessozialgericht hat seine Rechtsprechung in der Beurteilung von Geschäftsführern in den letzten Jahren zunehmend verschärft, die Voraussetzungen für die Annahme des Fehlens der Sozialversicherungspflicht sind also strenger geworden.

Nach § 7 Abs. 1 SGB IV wird als Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit definiert, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind:

  1. eine Tätigkeit nach Weisungen und
  2. eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

Daher ist nicht sozialversicherungspflichtig, wenn Anteile an der Kapitalgesellschaft gehalten werden, mit denen ein derartiger Einfluss auf Gesellschafterbeschlüssen genommen werden kann, sodass der Betreffende rechtlich in der Lage ist, ihm nicht genehme Weisungen zu verhindern; vgl. u.a. BSG, Urteil vom 29.08.2012, B 12 KR 25/10 R, Urteil vom 11.11.2015, B 12 KR 10/14 R.

 

Gesellschafter (Treugeber) als Geschäftsführer

In der Praxis ergaben sich Fragen zur Bedeutung von Treuhandverträgen. Dabei ging es um Sachverhalte, in denen ein Geschäftsführer die Anteile nicht selbst sondern durch einen Treuhänder vollständig halten lässt. Der Geschäftsführer fungiert also im Hintergrund als Treugeber.

Ist der Treuhänder auch Geschäftsführer oder sonst mitarbeitend, stellt sich auch für den Treuhänder die Frage der Sozialversicherungspflicht.

Formal ist er der Alleingesellschafter. Der Treuhandvertrag bestimmt jedoch in der Regel, dass ein Treuhänder nur auf Weisung des Treugebers agieren, insbesondere auch das Stimmrecht aus den Geschäftsanteilen ausschließlich gemäß den Vorgaben des Treugebers ausüben darf.

Ebenfalls enthalten Treuhandverträge Regelungen, wonach der Treuhänder verpflichtet ist, die Geschäftsanteile bei Verlangen auf den Treugeber zu übertragen. Auch behalten sich Treugeber oftmals eine unwiderrufliche Vollmacht vor, die Stimmrechte aus den Gesellschaftsanteilen in der Gesellschafterversammlung eigenständig wahrnehmen zu können.

 

Urteile zur Sozialversicherungspflicht von Gesellschaftern (Treugebern)

Das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz entschied beispielsweise, Urteil vom 06.02.2019, L 4 R 465/16, dass der Treuhandvertrag Einfluss auf die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung habe. Der Vertrag vermittele dem Treugeber nämlich die Rechtsmacht, die Geschicke der GmbH maßgeblich zu bestimmen, jedenfalls aber Weisungen an sich zu verhindern, sodass der der Treugeber als nicht sozialversicherungspflichtig anzusehen ist.

Dieser Auffassung hat das Bundessozialgericht eine Absage erteilt:

In Urteilen vom 10.12.2019, B 12 KR 9/18 R, und vom 12.05.2020, B 12 R 11/19 R, stellte das Bundesozialgericht klar:

Der beherrschende Einfluss auf die Gesellschaft, die dem Treuhänder als Allein- oder Mehrheitsgesellschafter zukommt und die abhängige Beschäftigung ausschließt, nicht durch einen (notariellen) Treuhandvertrag genommen werden kann (Urteil vom 12.05.2020).

Weiter habe der Treugeber als formaler Fremdgeschäftsführer keine im Gesellschaftsrecht wurzelnde Rechtsmacht, die ihn in die Lage versetze, eine Einflussnahme auf seine Tätigkeit, insbesondere durch ihm unangenehme Weisungen, jederzeit zu verhindern (Urteil vom 10.12.2019).

Der Treuhänder sei und bleibe Inhaber aller mit dem Geschäftsanteil verbundenen Rechte und Pflichten, insbesondere des Stimmrechts in der Gesellschafterversammlung. Dem Weisungsrecht aus dem Treuhandvertrag komme nur eine schuldrechtliche und keine unmittelbar gesellschaftsrechtliche Wirkung zu. Es liege in der Hand des Treuhänders Weisungen zu befolgen.

Eine Ausnahme besteht u.a. dann, wenn dem Geschäftsführer/Gesellschafter (Minderheitsgesellschafter) durch den Gesellschaftsvertrag eine umfassende, die gesamte Unternehmenstätigkeit erfassende Sperrminorität eingeräumt ist.

 

Entscheidend für die Sozialversicherungspflicht ist der Gesellschaftsvertrag

Das Bundessozialgericht verfestigt damit seine Rechtsprechung.

Demnach müsse die für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit notwendige Rechtsmacht gesellschaftsrechtlich eingeräumt sein müssen. Diese Rechtsmacht muss den Betroffenen in die Lage versetzen, die Geschicke der Gesellschaft bestimmen oder zumindest nicht genehme Weisungen der Gesellschafterversammlung verhindern zu können.

Außerhalb des Gesellschaftsvertrags (Satzung) bestehende wirtschaftliche Verflechtungen, Stimmbindungsabreden oder Veto-Rechte zwischen einem Gesellschafter-Geschäftsführer sowie anderen Gesellschaftern und/oder der GmbH seien nicht zu berücksichtigen.

Das Bundessozialgericht hat

  • mit den Entscheidungen zur Schönwetterselbständigkeit die Bedeutung familiärer Bindungen bei der Statusbeurteilung verneinte,
  • die frühere Kopf-und-Seele-Rechtsprechung aufgegeben hat und
  • die Unbeachtlichkeit sämtlicher außerhalb des Gesellschaftsvertrages getroffener Vereinbarungen der Gesellschafter postuliert, sodass allein die durch den Gesellschaftsvertrag vermittelten Rechte und Einflussmöglichkeiten Bedeutung erlangen

Daher sind mit der aktuellen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sämtliche Gesellschafter-/Geschäftsführertätigkeiten notwendig hinsichtlich des Sozialversicherungsstatus zu prüfen. Häufig besteht für Geschäftsführer die Sozialversicherungspflicht.

 

Folgen falscher Annahmen zur Sozialversicherungspflicht

Hier drohen bei der irrigen Annahme einer Sozialversicherungsfreiheit böse Überraschungen durch erhebliche, ggf. existenzgefährdende Beitragsnachforderungen im Rahmen von Betriebsprüfungen. Andererseits besteht die Möglichkeit für Treuhänder trotz Beitragszahlung in die gesetzliche Sozialversicherung keine Leistungen zu erhalten.  Andererseits gibt das Bundessozialgericht mit seinem konsequenten Abstellen auf den Gesellschaftsvertrag klare Orientierungspunkte vor, die in der vertraglichen Ausgestaltung zu berücksichtigen sind, um einen gewünschten Sozialversicherungsstatus zu erreichen.

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